21. Mai 2020 | Blick hinter die Kulissen | Über Headlines, Wording und den Attention Grabber

Seit dem letzten Blogeintrag ist nun ein knappes halbes Jahr vergangen. Ja, ich bin durch meinen neuen Job seit Januar 2020 in einer Festanstellung und arbeitstechnisch gerade richtig ausgelastet. Alle PR Aktivitäten der letzten drei Jahre sind auf fast Null zurückgefahren. Meine Radiosendung ruht mit Live-Interviews. Daher ist es mal an der Zeit, einen kurzen Blick in die Presse und Medienaktivitäten der letzten Jahre zu werfen.

Denn der Anlass diese Blogartikels war für mich letztlich die reißerische Headline der BILD vom 6. Dezember 2019 und das negative Feedback. Nun möchte ich euch einmal schildern, wie meine Pressearbeit aussieht. Auf der fachlichen Seite und auf der ehrenamtlichen Seite. Denn gegenüber der Radiosendung Talk mit Dana sind hier die Rollen vertauscht. Ich bin der Gast. Und ich werde in der Regel nicht aktiv, ich werde von den Medien gefunden. Daher ist eine Sichtbarkeit im Netz unheimlich wichtig. Das fing letztlich mit einem Wikipedia Eintrag an, der im Übrigen sehr schwer zu bekommen war. Die Einstiegshürden sind sehr hoch. Aber nun, damit rutsche ich bei der Namenseingabe in Google an die erste Stelle. Und Bilder und Videos gleich mit dazu.

Beruflich beschäftige ich mich ja seit Mitte der 80er Jahre mit Kameras und allem was da drumherum so an Technik dazu gehört. Das passierte lange in einer Festanstellung, eine Pause war freiberuflich und ansonsten ist vieles ehrenamtlich. Sei es im Hörsaal, vor Fotografen oder auf einem Barcamp. Oder einfach nur ein Print Artikel mit Fachinformationen. Letztlich um Menschen für die Kameratechnik zu begeistern. Und das ist mir nachweislich gelungen, einige Studenten fanden letztlich durch meinen Impuls und den Kontakt eine Anstellung.

Die Fachzeitschriften kamen früher im regelmäßigen Abstand auf mich zu und fragten, ob ich nicht zu diesem oder jenem Thema etwas schreiben wollte oder könnte. Besonders im Sommerloch. Und so hatte ich im Oktober 1986 mit einem Freund einen 11-Seiter im C64-Magazin. Der Anfang in meinem Leben.

Über die Jahre wurden es so einige Veröffentlichungen. In 2019 alleine 3 Fachartikel mit je 2 Seiten. Mir geht es hier einmal um die Headlines der Print-Artikel. Schaut und bildet euch eine Meinung. Klingt das spannend und würdet ihr den Artikel lesen?

  • Der kleine, aber feine Unterschied
  • CMOS wird erwachsen
  • CMOS-Sensoren gewinnen die Oberhand
  • Neue Blickwinkel
  • Mehr Bandbreite
  • In die Tiefe

Nun, vielleicht etwas zu nüchtern, aber dem technischen Thema angepasst. Daher beispielhaft die andere ehrenamtliche Seite mit meiner persönlichen Geschichte aus den Medien:

  • TV: Unter Druck
  • Print: Nicht tragbar
  • Keynote: Ich bin für Unternehmen wertvoll
  • Radio: Wenn der Partner zur Partnerin wird
  • Workshop & Print: Zwischen Rosa und Hellblau
  • Online: Mit Daniel kam Steffi zusammen, mit Dana stand sie vor dem Altar
  • TEDx Vortrag: Was würdest du einen Transgender fragen?
  • TV & YT Interview: Geboren im falschen Körper
  • Vortrag: Ich bin im falschen Körper – holt mich hier raus
  • Print: Mein Sex dauert jetzt länger als 45 Sekunden

Wie denkt ihr über die letzte Headline der Bild-Zeitung? Sex sells ist ja der Klassiker. Und uns war klar, das hier übertrieben wird. Reisserisch. Haben wir das denn bei dem Thema verdient? Gute Frage. Wird es dem Thema gerecht?

Es ging um unsere Beziehung und meine Veränderung. Das Menschen mit Veränderungen so ihre Herausforderungen haben. Und wie wir es geschafft haben, noch ein Paar zu sein. Die Headline wird natürlich dem Thema nicht gerecht, aber verleitet zum Lesen. Und das hat auch viele Menschen gestört. Ebenso die Unterzeile Dana, die mal Daniel war. Was aber rein formal stimmt. Nun, es geht um unsere Beziehung. Und für meine Frau war ich am Kennenlerntag 2005 eben Daniel. Nur so wird es verständlich, wenn dann irgendwann die Namensänderung kommt. Es geht ja letztlich um Veränderungen in einer Beziehung. Das hier die Zeitung mehr einen Attention Grabber druckt, ist ja im eigenen Interesse völlig verständlich. Und der Text ist an sich formal weitestgehend echt ok.
Wir waren 90 Minuten in der BILD-Redaktion in Stuttgart. Wurden dazu einen Tag vorher eingeladen. Und hatten schon unsere Bedenken. Weil es eben die Bildzeitung ist. Die Chefredakteurin machte sich sehr viele Notizen. Und ich erklärte ausführlich, was auch nicht zu schreiben ist. „Umwandlung“, „Umoperieren“ und diese ganzen Wörter, die immer im Kontext fallen.

Die Headline wird in der Regel auf dem Text genommen. Das macht oft nicht die Redakteurin, sondern eine andere Abteilung. Besonders bei Print gibt es auch eine getrennte Online Redaktion. Und dann wird aus „Orgasmus“ eben „Sex“. Ist kürzer und griffiger. Verdreht aber die eigentliche Aussage. Korrekt ist, es dauert alles insgesamt wirklich länger. Das erkläre ich genauso auch in meinem TED Talk. Wie auch immer, der Leser ist angefixt und wird den Artikel lesen. Der sehr simpel geschrieben ist und daher auch die Leserschaft in der Schnelle erreicht. Viel Bild, wenig Text. Immerhin eine ganze Seite hoch. Nun, damit ist das Segment von mir nun auch abgedeckt. 

Der Radiosender SWR3 hat das identische Thema anders aufbereitet. Denn die Zielgruppe Radio und Boulevard-Print ist doch eine ganz Andere. Seriös auf der einen Seite, einen Attention Grabber auf der anderen Seite. Meine Frau und ich waren über 2 Stunden in der Vorproduktion. Über eine Stunde Audiomaterial, aus dem dann nur 6 Minuten Bericht wurden. Gesendet im Abendprogramm mit ca. 4 Millionen Hörern: „Du hast dich so verändert„.

In Echt Jetzt?“ ist ein Podcast der Redakteurin Christina Scheuer vom Radio Bielefeld. Sie holt sich quer durch das Land die Menschen mit ihren Geschichten vor das Aufnahmegerät. Und veröffentlicht dann diese ausschliesslich als Podcast. Weil eine Stunde im kommerziellen Radio in der Form sogut wie nicht möglich ist. Und ich durfte dort in der Vorproduktion die Antworten geben. Das war sie wieder, die Radioluft.

Die Rollen sind für meine eigene Talksendung im Radio umgedreht. Hiert brauche ich Gäste mit Themen. Diese Infos bekomme ich immer in einem so zwei bis vierstündigen Vorgespräch. Finde dabei die Kernthemen und scribble eine Mindmap. An der orientiere ich mich dann in der Livesendung.

Wie ich meine Radiosendungen genau vorbereite und vorab mit das Interview mit einer Mindmap festhalte, schrieb ich euch ja schon einmal hier für das Interview mit einem Bürgermeister.

Mein TED Talk 2019 vor 500 Leuten bedurfte einer viel intensiveren Vorbereitung. Weil es zum einen die 15 Minuten Grenze gibt. Weil TED die weltweite Königsklasse einer Präsentation ist. Und ich ganz klar einen roten Faden brauche. Powerpoint überladen als 90er Jahre Textwüste geht hier nicht. Also alles mit klaren Bildern, kein Text. Denn ich stehe ja auf der Bühne und vermittel eine emotionale Geschichte. Der erste große Lacher kam nach knapp 3 Minuten, damit hatte ich das Publikum auf meiner Seite.

Nach Aussage des Veranstalters eines ber besten Talks, den er in Stuttgart erlebt hat. Danke!

Und nicht zu glauben, was für ein großes Team im Hintergrund dieses Event ermöglicht hat.

Workshops habe ich Hunderte gegeben, in kleiner intimer Runde ist es ganz anders. Kurzer Frontalvortrag, Zwischenfragen und auch individuelle Themen sind hier viel besser platziert. Das klappt gut mit der eigenen Geschichte. Aber auch im Fachthema. Denn ich muss hier schon breit aufgestellt sein. Die Erwartungshaltung ist nämlich hoch. Die mir gegebenen Kommentare sagen aber alles aus, meine Botschaften kommen positiv an. Letztlich halte ich dieses Format für am effektivsten. 10 bis 20 Teilnehmer und gut ist.

Oft gibt es natürlich ein Vorgespräch. Für die 2 Seiten im LGBTI Heft der AGPRO aus Wien wurde ich eine Stunde am Telefon interviet. Vorab mit den Fragen versorgt. Und konnte das gesamte Thema mit den Kernbotschaften gut herüberbringen. Es wurde dann ein klassisches Frage / Antwort Interview:


Michael Steinbrecher vom SWR Nachtcafé ist Vollprofi und braucht kein echtes Vorabgespräch. Er kannte meine Geschichte über die Redaktion, die alle Fakten vorab aus dem Internet und mit einem Telefongespräch zusammentrug. Auch die Bilder, die dann eingeblendet wurden. Er selbst nur knapp 5 Minuten mit mir sprach, kurz vor der Sendung. Ich war nach Nina Jaros schließlich nicht die erste Transfrau auf seinem Sofa. Daher war er schon seht umfassen über das Thema informiert.

Meine Frau wollte ja nicht mit auf das Sofa. Sie ist eher zurückhaltend, aber ab und an schon mit dabei. Und Nina Büchs wollte unbedingt ein Interview mit ihr machen. Welches dann auch in der Zeit-online Tochter ze.tt sehr erfolgreich veröffentlicht wurde. Es hat vielen Partnerinnen in ähnlichen Situationen geholfen. Das Interview war live auf Tape und wurde dann zu einem Script zusammengeschrieben. Absolut passend.

Und es gibt vor der Veröffentlichung grundsätzlich keinen Auszug. Das ist im deutschen Journalismus einfach Pflicht. Und so war ich auf das Ergebnis von Anja Lutz gespannt, die mein Telefoninterview dann so umsetzte:Manchmal bin ich auch einfach mal so in der Tageszeitung:

Lea Weinmann lernte ich über viele Ecken und Gelegenheiten durchs Radio kennen. Sie interviewte mich über mein Leben. Als Studentin an der Hochschule der Medien bestens mit Crossmedia und Journalismus vertraut. Ich war live im Radio und fing dadurch ja selbst Feuer. Es weiteres Interview in der Kneipenplausch Serie sowie eine Gegeneinladung in meine Radiosendung waren die Folge.

Da Lea nun meine Geschichte kannte, hatte sie nach einem weiteren Vorgespräch dann den großen Artikel für die Süddeutsche Zeitung erstellt. Der dann auch in der Wochenendausgabe viel Beachtung fand.

Aus diesen ganzen medialen Veröffentlichungen sind viele weitere Auftritte, Berichte und Interviews hervorgegangen. Die letztlich mein Thema weiter in die Öffentlichkeit gebracht haben. Wie zum Beispiel auch indirekt bei Siemens, denn ich stehe ja auch für Transformation und Change Management. An diese Verbindung hatte ich vor Jahren noch nicht gedacht, aber meine Geschichte ist eben für andere Menschen sehr inspirierend. Danke für diese Gelegenheiten. Und wie gesagt, nutzt die Medien für eure Botschaft. Es funktioniert!