14. September 2019 | TEDx Vortrag | Was würdest Du einen Transgender fragen? | Die komplette Hintergrundgeschichte

Was würdest Du einen Transgender fragen? | 14. September 2019 | TEDxStuttgart | Haus der Wirtschaft


Persönliche Hintergrundinfos

„Du? Darf ich dich mal was fragen?“. So fängt es oft an. Ja, und dann treffe ich auf sehr viel Neugierde. Und wahnsinnig viele Fragen. Die ich auch gerne beantworte. Und irgendwann damit eine Liste zusammen gestellt hatte. Bullshit-Bingo als Titel war da ganz passend. Überlegt mal, wenn ihr gefragt werdet, auf welches Klo ihr geht. Wie das so ist im Bett mit der Partnerin und ihr so in der Hose habt.

Interessant? Es ist für mich ein schweres Thema, welches ich nur authentisch mit Emotionen und Humor vortrage. So funktioniert es. Das ist immer mein erstrangiges Ziel auf der Bühne und im Radio. Menschen zu inspirieren und Herzen ein wenig berühren. Ist das einfach? Nein. Wen es interessiert, dem gebe ich hier folgend einmal einige Einblicke in meine Arbeit. Ich kann nur jedem empfehlen, einmal im Leben einen TEDx Vortrag zu halten. Denn TED ist eine weltweite Größe und bedeutet Technology, Entertainment und Design. Ich bin dadurch echt gereift.

Um was geht es mir hier? Mein Thema „Transidentität“ an sich ist nichts wirklich Besonderes. Es zeigt nur die Diversität und Vielfalt der Menschheit auf. Und rüttelt oft an festen Glaubenssätzen und Weltbildern. Letztlich stehen Selbstverwirklichung und Wandel für grundlegende Werte und Aktionen. Die wir gerade im Bereich Digitalisierung und Industrie 4.0 erleben. Und dieses Change Management, welche dazu notwendig ist, habe ich selbst mit mir und meiner Wandlung betrieben. Ich gebe also einen Impuls. Das ist meine grundlegende Intention. Es klingt platt, aber „Leben ist Veränderung!„. Und was die Nachbarn denken, das sollte uns doch wirklich egal sein.

Es war ein sehr langer Weg bis zu diesem 14. September 2019. Angeschrieben hatte ich nach vielen Dutzend Vorträgen vor allem auf BarCamps dann einmal das TEDx Team in Stuttgart. 20. Juli 2018. Also über ein Jahr vor dem jetzt gehaltenen Vortrag. Ich wollte im Leben die nächste Stufe erreichen. Und ein TED Vortrag ist für mich etwas „ganz oben“. Eine Referenz. Leider kam eine negative Rückmeldung. Das Line-up sei für 2018 schon voll. Und damit komme ich auf die Warteliste für 2019. Schade und trotzdem ok für mich.

Im November 2018 schlug ich dann konkreter per Mail mein Thema vor. Transgender als Thema gab es noch nicht in den Jahren. Meine Geschichte schien interessant, aber wie ein Vortrag aussehen könnte, das war mit einem großen Fragezeichen überschrieben. Denn 15 Minuten reichen nicht für die Geschichte der ganzen Jahre, so die Bedenken. Und vor 500 zahlenden Zuschauern habe ich auch eine ich sag mal gewisse Entertainment Verantwortung. Bullet-Point Powerpoint funktioniert hier nicht.

Ich bekam zum 13. März 2019 eine Einladung zum Vorstellungsgespräch. Zwei Stunden redete ich um mein Leben. 5 oder 6 Leute saßen vor mir. Wir alle waren unsicher, ob es überhaupt thematisch zu „Shine a little light“ passt. Das war das Motto für dieses Jahr.

Aus den vielen Dutzenden von Bewerbern wurde ich am 25. März 2019 zuerst ausgewählt. Zusage. Wow, ich war erleichtert und aufgeregt. Denn was sollte ich nun machen? Den normalen Vortrag halten? Das mache ich ja eh nie, in den so vergangenen 25 bis 30 Gelegenheiten habe ich mein Material immer angepasst. An den Rahmen, Zielgruppe und die zur Verfügung stehende Zeit. Einige Tage später kam als Hilfe das offizielle TED Buch:

Die maximalen 15 Minuten waren für mich die Herausforderung schlechthin. Also stürzte ich mich „ins kalte Wasser“. Pecha Kucha ist da genau das richtige Format. Aus Japan kommend. Mit dem Ziel, 20 Folien in je 20 Sekunden automatisch als Präsentationsbasis zu haben. 400 Sekunden oder rund 6 Minuten. In Aalen auf der Bühne, mit meiner Frau zusammen. Mittelschwere Katastrophe. Gleich den Opener versaut, ich war bei der zweiten Folie in Verzug und kürzte gezwungendermaßen ein Teil der Pointe heraus. Mist. Auch die Lokation war nicht ideal, viel zu laut und unruhig. Das alles darf nicht passieren. Es war zumindest eine gute Übung. Ich habe es auf der nächsten Pecha Kucha Night in Nürnberg absichtlich dann nochmals probiert, das war schon wesentlich besser. Passt, bekomme ich hin. Und damit waren nun 15:00 Minuten auch sicherlich zu halten. Denn ab 17 Minuten gibt es angeblich keine Videoveröffentlichung auf TED.com. Daher der Ansporn.

Ich arbeitete an meinen Folien. Mit Ideenzetteln. Sortieren, Reihenfolge. Ein Vortrag kann komplett ohne Material sein, nur die reine Rede. Ich finde Bilder aber unterstützender bei meiner Geschichte. Und so trug ich beim ersten Rehearsal am 28. Juli 2019 meine Geschichte dem Team und den anderen Speakern vor. Die 15 Minuten Zeit waren knapp. Es gab Feedback, das war konstruktiv und allgemein eher negativ. Zu recht. Es ist zuviel Material. Zu linear erzählt. Das überfordert in der Kürze der Zeit.

Daheim überarbeitete ich in vielen Iterationen den Vortrag. „Kill your darlings“. Also raus mit Nebenhandlungen. Sagt sich so leicht. Ist es dann auch. Aus der überfrachteten Geschichte müssen einzelne Punkte werden. Aber die generelle Struktur stimmte nicht. Was lag näher, als das bestehende Bingo zu nutzen. Meine Grundlage war die erste Bullshit Bingo Tafel aus meinem InEchtJetzt Podcast Interview von Christina Scheuer, die Christina in der Stunde damals auch gut ausgefüllt hatte:

Ich stellte alles ein wenig um und spielte nacheinander die Felder an. Hinter jedem Punkt ein Thema mit Bild und Erzählung. Als Bingo. Und probte es live für das TEDx Team. Als Video.

Das ist leider immer noch zu durcheinander. Und der Sinn des Bingo oder Bullshit-Bingo erschließt sich hier nicht wirklich. Dann wandelte ich das Bingo in Jeopardy um, die Idee meiner Frau Steffi. Und ein weiteres „Kill your Darlings“. Also raus mit Nebenhandlungen. 4*5 = 20 Themen. Für exakt 15 Minuten. Auf 67 Folien. Also 13 Sekunden pro Folie. Das kann nicht gutgehen. Oder? Doch. Im Prinzip hinter jedem Geldbetrag ein Bild, dazu verbal die kurze Geschichte. Das bleibt in Erinnerung.

Insgesamt erstellte ich in den zwei Monaten 6 verschiedene Versionen. Interessant sind hier vielleicht die Änderungen zur Bühnenversion. Final gab es wenig ausführlichere Sätze, eher teilweise gekürzte Infos. Viel ausführlichere Infos verbal. Text von den Seiten genommen. Es ist für mich eben ein Unterschied, ob ich im Arbeitszimmer oder vor voller Halle stehe. Die Vortragsankündigung ging dann auf der TEDx Seite und diversen anderen Kanälen online.


Erzähl uns etwas über Dich: Momentan stehe ich an einer Kreuzung in meinem Leben und probiere mich aus. Als Kameraexpertin, als Radiomoderatorin. Auf der Bühne als Referentin für Transidentität.

Erzähl uns etwas über Dein Thema: Ich freue mich heute, im richtigen Körper angekommen zu sein. Meine kurzweilige Geschichte der Wandlung möge euch inspirieren, auch bald das Leben zu leben, was wirklich zu euch passt.

Woran denkst Du bei „Shine a Little Light“? Ich möchte zum Nachdenken und Reflektieren anregen, so wie ich es oft abends vor einer Feuerschale im Lichtschein tue.


Am 14. September 2019 ab 18 Uhr fand die Veranstaltung im Haus der Wirtschaft in Stuttgart statt. Kosten von 49 Euro pro Ticket, 500 Tickets in VV. Ich stand letztendlich vor ausverkaufter Halle. Es gab einen Backstage Bereich, mit Essen, Trinken und Schminkecke. Um einmal runterzukommen. Denn aufgeregt war ich schon ein wenig. Wegen dem enormen Zeitdruck. Hier punktgenau abliefern zu müssen. Daher dann zur Probe um 14 Uhr das offizielle 3. Rehearsal. Noch vor einer leeren Halle.

Da war alles noch in Ordnung. Später am Abend sah ich fast nichts mehr, denn die hellen Scheinwerfer zur Bühne blendeten so, das das Publikum für mich nicht richtig sichtbar war. Heftig fand ich den überdimensionalen Beamer, ein Bild wie im Kino. Gut das ich alles in hoher Auflösung in den Folien drin hatte. Sechs Kameras aus verschiedenen Perspektiven nahmen mich auf. Ich war am Abend die Nummer 4 von insgesamt 10 Speaker-Auftritten. Fabian Neidhardt führte professionell und ruhig als Moderator durch den Abend. Als es soweit war, stand ich eine Minute vorher im Standby an der Bühnenseite. Ein klein wenig gesunde Anspannung machte sich breit.

Fabian hat nichts Wesentliches über den Inhalt verraten. Mein Opener über die Elektromobilität gelang. „Ich werde an einer Ladesäule oft gefragt…“

Und dann ab ins eigentliche Thema. Die fehlende Präsenteransicht macht es mir schwerer. Und der Kampf gegen die Uhr.

„Das links bin ich, Links ganz links.“

Kurzes Bühnenstück mit Steffi: Einmal Hormone live nehmen, also ins andere Betriebssystem booten.

Es gab viele Lacher – für dieses humorvoll vorgetragene schwere Thema.

Alles in Jeopardy Kategorien. Was kommt als Nächstes? Wie lange geht es noch? Ich machte nach 15:00 Minuten eine Punktlandung. Zum Ende kräftiger Applaus und im Anschluss viele tolle lobende Kommentare. Für mich war es gefühlt der bislang beste Vortrag in meinem Leben. Einige kleine Kinken sehe ich schon noch, da muss ich ran. Letztlich habe ich die Menschen und Herzen erreicht, das war mein Ziel.

Dazu ein schönes Abschiedsgeschenk!

Alle Speaker!

Und ein gewaltiges Team im Hintergrund. Danke!

Einige der Fotos © TEDx Fotograf Karl-Peter Nägele, Sebastian Held, Stefanie Burkhardt. Danke Euch. Und Danke für diese Gelegenheit! Eure Anmerkungen gerne ins YouTube Video oder auf die Kommentarseite. Falls der Youtube Link ganz oben mit Werbung nervt, hier die direkte Videodatei in 720p Auflösung.